Schwerpunkt: Quereinstieg in den Lehrer_innenberuf

19.10.2022
In ganz Österreich fehlen Lehrkräfte. Quereinsteiger_innen, die in den Schuldienst wechseln möchten, sind daher zurzeit besonders gesucht. Für die Sekundarstufe Allgemeinbildung gibt es ein neues Modell, das den Umstieg attraktiver machen soll – inklusive höherem Gehalt als bisher. Spielen auch Sie mit dem Gedanken, in den Lehrer_innenberuf zu wechseln? In diesem Schwerpunkt finden Sie die wichtigsten Informationen rund um das neue Modell sowie weitere Möglichkeiten des Quereinstiegs in die Schule.

Von der Mittelschule bis zur AHS: Quereinsteiger_innen gesucht

Eine LehrerIn unterstützt in einem Klassenzimmer 4 Kinder, die gemeinsam an einem Laptop arbeiten.

©iStock.com/Drazen Zigic

Etwa 5.500 Lehrpersonen werden in Österreich jährlich in den Schuldienst aufgenommen, dennoch gibt es in manchen Regionen für bestimmte Fächer nicht genug Lehrpersonal. Um den Bedarf zu decken, werden an Schulen neben Lehramtsstudierenden auch Quereinsteiger_innen ohne Lehramtsstudium im Unterricht eingesetzt. Voraussichtlich wird der Bedarf in Zukunft weiter steigen.

Besonders gefragte Fächer

Je nach Bundesland, Region und Schultyp fehlt Lehrpersonal vor allem in den Fächern Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Informatik, Bewegung und Sport, Musik, Technisches Werken und Textiles Gestalten und Bildnerische Erziehung.

Schon bisher möglich: Lehrkraft ohne Lehramtsstudium

Bereits seit längerem ist es gängige Praxis, dass bei einem Mangel an ausgebildeten Lehrkräften Absolvent_innen von facheinschlägigen Studienrichtungen ohne pädagogische Ausbildung mit Sondervertrag an einer Schule unterrichten dürfen, beispielsweise Absolvent_innen von Studienrichtungen wie Germanistik, Anglistik, Mathematik oder Physik. Die Sonderverträge sind allerdings befristet und im Vergleich zu Regelverträgen niedriger entlohnt. Innerhalb von 5 Jahren müssen Zusatzprüfungen nachgewiesen werden. Eigene Quereinstiegsstudiengänge für Hochschulabsolvent_innen wurden in den letzten Jahren nur für Musikerziehung angeboten. Auch für das Lehramt Sekundarstufe Berufsbildung gibt es bereits eine einheitliche Regelung, die zum Unterrichten von Fachtheorie, z.B. an einer HTL, berechtigt.

Quereinstieg NEU für die Sekundarstufe Allgemeinbildung: die wichtigsten Fakten im Überblick

Auf einem Tisch befinden sich ein aufgeschlagenes Buch sowie ein Stiftehalter mit bunten Stiften und einer Schere. Auf einem Bücherstapel steht ein kleiner Globus. Im Hintergrund ist eine Tafel mit Formeln zu sehen.

© iStock.com/CherriesJD

Ein neues Modell soll künftig den Zugang für Quereinsteiger_innen, die in der Sekundarstufe Allgemeinbildung (z.B. Mittelschule, AHS, BMHS) unterrichten möchten, erleichtern und auch verbesserte dienstrechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Neu ist vor allem, dass auch fachverwandte fachwissenschaftliche Bachelor-, Master- und Diplomstudien den Quereinstieg in eine Lehrtätigkeit ermöglichen. Nach der neuen Regelung dürfen beispielsweise Absolvent_innen eines Chemiestudiums auch die Fächer Physik und Mathematik unterrichten. Bisher war dafür ein facheinschlägiges Studium erforderlich – in diesem Fall ein Physik- bzw. Mathematikstudium. Die notwendigen pädagogischen Kenntnisse werden an Pädagogischen Hochschulen in speziellen berufsbegleitenden Hochschullehrgängen für Quereinsteiger_innen vermittelt. An manchen Pädagogischen Hochschulen werden zusätzlich außerordentliche Masterstudiengänge für Quereinsteiger_innen angeboten.

Welche Voraussetzungen müssen Quereinsteiger_innen erfüllen?

  • Erforderlich ist ein absolviertes fachverwandtes Studium (mindestens mit Bachelor-Abschluss bzw. 180 ECTS-Punkten) sowie
  • eine mindestens 3-jährige fachlich geeignete Berufspraxis nach Studienabschluss.
  • Ein Alterslimit nach oben gibt es theoretisch nicht.

Wie funktioniert die Bewerbung?

  • Zuständig sind die Bildungsdirektionen, die die formalen Zulassungsvoraussetzungen prüfen und die Bewerbungen an die jeweiligen Pädagogischen Hochschulen melden.
  • Vor der eigentlichen Bewerbung ist ein 3-stufiges Einstellungsfeststellungsverfahren zur Sicherstellung der grundlegenden pädagogischen Eignung zu absolvieren.
  • Ab November 2022 ist eine Registrierung für das Einstellungsfeststellungsverfahren über das österreichweite Portal Get your teacher möglich. [

Wo und wann startet der Hochschullehrgang Quereinstieg? 

  • Die Studien für Quereinsteiger_innen werden – je nach bestehendem Bedarf – ab dem Studienjahr 2023/2024 an den meisten Pädagogischen Hochschulen durchgeführt.
  • An einigen Pädagogischen Hochschulen werden Hochschullehrgange für das Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung bereits im Wintersemester 2022/2023 angeboten.
  • Zugangsvoraussetzung ist ein aktives Dienstverhältnis (im neuen Modell: Anstellung mit Regelvertrag).

Wie läuft die Ausbildung ab?

  • Der Hochschullehrgang Quereinstieg dauert 4 bis 6 Semester und qualifiziert für EIN bestimmtes Unterrichtsfach.
  • Der Hochschullehrgang wird berufsbegleitend zum Dienstverhältnis besucht und ist kostenlos.
  • Ab dem Zeitpunkt der Anstellung an einer Schule muss der Hochschullehrgang innerhalb von 5 Jahren absolviert werden.
  • Anrechnungen von erworbenen ECTS-Punkten für bereits zuvor im Sondervertrag angestellte Personen sind unter Umständen möglich. Für die Prüfung ist die jeweilige Pädagogische Hochschule zuständig.
  • Eine Absolvierung während einer Bildungskarenz ist möglich.

Wie sehen zukünftig die dienstrechtlichen Rahmenbedingungen aus?

  • Quereinsteiger_innen, die den Hochschullehrgang absolvieren, werden mit einem Regelvertrag angestellt und erhalten dieselbe Bezahlung wie voll ausgebildete Lehrpersonen (bisher: befristete Sonderverträge mit finanziellen Abschlägen).
  • Vordienstzeiten können unter Umständen angerechnet werden. Zuständig dafür sind die Bildungsdirektionen.
  • Personen, die bisher mit PD-Sondervertrag (Neues Dienstrecht Pädagogischer Dienst) angestellt waren, werden in einen Regelvertrag überstellt, wenn sie den Hochschullehrgang beginnen. Sondervertragslehrkräfte, die nach altem Dienstrecht angestellt sind, sind für die Lehrgänge hingegen nicht zugelassen.

INFO: Auch für Elementarpädagogik kann ein Hochschullehrgang für Quereinsteiger_innen an Pädagogischen Hochschulen absolviert werden. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Bachelorstudium Lehramt Primarstufe bzw. Lehramt Volksschule oder Lehramt Sonderschule oder Pädagogik, Erziehungs- oder Bildungswissenschaft. Ein Hochschullehrgang für Religionspädagogik kann beispielsweise an der Kirchlich Pädagogischen Hochschule Wien/Krems absolviert werden. Für eine reguläre Anstellung an einer Volksschule oder Sonderschule muss hingegen ein Lehramtsstudium absolviert werden.]

Teach for Austria – Quereinstieg mit dem Fellowprogramm

Logo Teach for Austria

Eine weitere Möglichkeit für den Quereinstieg als Lehrer_in bietet die Organisation Teach for Austria. Ein Hauptanliegen der Initiative ist es, Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien zu guten Bildungschancen zu verhelfen. Das Fellowprogramm von Teach for Austria richtet sich an Hochschulabsolvent_innen unterschiedlichster Fachrichtungen. Mit ihren jeweiligen Studienhintergründen und Berufserfahrungen bereichern die Quereinsteiger_innen den Lernalltag und geben wertvolle Impulse aus ihren Fachbereichen.

Benachteiligte Kinder und Jugendliche unterrichten und betreuen

In einem 2-jährigen Leadership-Development-Programm werden die Fellows, wie die Teilnehmer_innen genannt werden, auf ihre Tätigkeit als Vollzeitlehrkraft bzw. Pädagog_in an einer herausfordernden Mittelschule, Polytechnischen Schule oder in einem Kindergarten vorbereitet. Nach einer 12-wöchigen intensiven Vorbereitung in den Bereichen Leadership, Didaktik und Pädagogik beginnt der Einsatz in der Praxis, der weiterhin durch Workshops und Coachings durch erfahrene Trainer_innen begleitet wird. Teach for Austria arbeitet mit über 60 Schulen in Wien, Oberösterreich und Niederösterreich und 24 Kindergärten in Wien zusammen. Fellows, die an Schulen eingesetzt werden, sind während des Programms mit einer vollen Lehrverpflichtung mit befristetem Sondervertrag bei der zuständigen Bildungsdirektion angestellt.

Vielfältige Möglichkeiten nach dem Abschluss

Nach dem 2-jährigen Programm besteht die Möglichkeit, weiterhin an der Schule tätig zu sein oder eine andere Richtung einzuschlagen, z.B. in der Politik, Verwaltung, bei Organisationen und NGOs, oder ein eigenes Social Business zu gründen.

Genauere Informationen über das Bewerbungs- und Auswahlverfahren sowie über Inhalte und Ablauf des Fellowprogramms finden Sie auf der Website von Teach for Austria.

Aus der Praxis: Die Lebenserfahrung der Quereinsteiger_innen ist ein großer Vorteil

Eine weibliche Hand schreibt mit Kreide auf einer Schultafel.

© iStock.com/AndreaObzerova

Petra Schwarz, Schulleiterin der Mittelschule Quellenstraße in Wien Favoriten, arbeitet an ihrer Schule bereits seit längerer Zeit mit Quereinsteiger_innen zusammen. Im Interview erzählt sie, wie diese den Schulalltag bereichern, und gibt Tipps für angehende Lehrkräfte.

Welche Erfahrungen haben Sie an Ihrer Schule mit Quereinsteiger_innen gemacht?

Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir arbeiten hauptsächlich mit Quereinsteiger_innen von Teach for Austria zusammen, die dort ein tolles Vorbereitungs-  und Betreuungsprogramm genießen, aber auch mit Kolleg_innen, die in ihren Herkunftsländern unterrichtet haben (arabische Muttersprache). Die Ausbildungen der Kolleg_innen sind sehr vielfältig und reichen vom Chemiestudium bis zu Medien- und Sprachstudien oder der Sportlehrer_innenausbildung der BSPA in Wien. Meiner Erfahrung nach ist der Quereinstieg in die Schule eine sehr bewusste Entscheidung. Meist besteht ein starker Wunsch, mit Kindern zu arbeiten. Die Beweggründe sind also fast immer sehr intrinsisch und an den Kindern orientiert.

Wo sehen Sie Vorteile bei der Zusammenarbeit mit Quereinsteiger_innen?

Die Lebenserfahrung in unterschiedlichen Lebensbereichen ist ein riesengroßer Vorteil sowie auch die Spezialisierung in unterschiedlichen fachlichen Bereichen. Häufig bringen Quereinsteiger_innen ganz andere Aspekte und Blickwinkel ein, weil ihre Ausbildung oft sehr spezialisiert ist. Ein Beispiel: Ein Kollege an unserer Schule ist Vizeweltmeister in Dodgeball – somit können wir diese Sportart anbieten, was sonst nicht möglich wäre. Aber auch in anderen Bereichen wie Musik oder Naturwissenschaften können Quereinsteiger_innen wertvolle Inputs einbringen – auch in organisatorischer Sicht. So kann ein/eine Chemieabsolvent_in beispielsweise gut als Chemiekustos/-kustodin eingesetzt werden. [

Wo liegen die Herausforderungen?

Herausfordernd ist oft für viele Quereinsteiger_innen das "System Schule", das in weiten Bereichen sehr unterschiedlich von bisher Erlebtem in der Privatwirtschaft ist. Der administrative Aufwand im Verhältnis zum reinen Unterrichten ist für viele Lehrer_innen (nicht nur für die Quereinsteiger_innen) belastend. Kolleg_innen aus anderen europäischen Ländern berichten, dass das dort nicht der Fall ist. Andererseits ist das "System Schule" auch sehr flexibel und bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten.

Welche Erfahrungen können Quereinsteiger_innen speziell an Ihrer Schule mitnehmen?

Bei uns spielt Teamarbeit eine sehr wichtige Rolle. Niemand muss eine Kollegin oder einen Kollegen "ausstechen". Dieses starke und toll funktionierende Teambuilding im Rahmen einer Non-Profit-Organisation, wie die Schule es eigentlich ist, wird von unseren Quereinsteiger_innen als sehr positiv erlebt.

Welchen Rat möchten Sie angehenden Quereinsteiger_innen mitgeben?

  1. Lehrer_in sein ist mehr als Unterrichten: Wer in den Beruf einsteigen möchte, sollte auf viel administrative Arbeit und auf Herausforderungen (teilweise auch Überforderungen), bedingt durch das System, gefasst sein. Es gibt aber auch soziale Herausforderungen, was das Verhalten an der Schule betrifft, oder auch im Rahmen der Elternarbeit, die viele Facetten hat. Daher empfehle ich allen, die die Möglichkeit haben, an einer Schule zu hospitieren, um einen Einblick in die Unterrichtspraxis zu erhalten. Hospitation ist auch für neue Lehrer_innen sehr wichtig, da man aus dem Unterricht von Kolleg_innen viel mitnehmen kann.
  2. Es ist wichtig, auf sich selbst schauen, denn viele engagierte Lehrer_innen neigen zur Selbstausbeutung. Die Arbeit mit Kindern, die viele unterschiedliche Bedürfnisse haben, erfordert viel Kraft. Häufig werden freiwillige Tätigkeiten, die zusätzlich geleistet werden, in der Öffentlichkeit nicht gesehen. Zum Beispiel werden schulbezogene Veranstaltungen wie Lesenächte organisiert, die Kinder zu Fußballmatches begleitet oder beim Schreiben von Lebensläufen unterstützt. Lehrer_innen arbeiten sehr intensiv und kommen mitunter auf eine 60-Stunden-Woche.
  3. Wenn es zu Problemen kommt, empfehle ich, eine Supervision oder Intervision in Anspruch zu nehmen. Das LehrerInnenberatungszentrum LBZ oder auch die Pädagogischen Hochschulen bieten beispielsweise Supervisionen an.

Die Mittelschule Quellenstraße bietet angehenden Quereinsteiger_innen die Möglichkeit zur Unterrichtshospitation. Interessierte können hier direkt mit der Direktion Kontakt aufnehmen.]

5 gute Gründe für den Lehrer_innenberuf

Ein Lehrer unterrichtet Kinder in einem Klassenzimmer.

© iStock.com/monkeybusinessimages

Die Gründe für einen Quereinstieg in den Schuldienst können sehr individuell sein. Viele verspüren den Wunsch nach einer beruflichen Veränderung und einer Tätigkeit mit hoher Sinnstiftung. Andere haben vielleicht schon früher einmal den Berufswunsch Lehrer_in gehegt und wollen diesen nun verwirklichen. Die Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist meist eine große Motivation. Darüber hinaus gibt es aber noch mehr gute Gründe für einen Wechsel an die Schule:

  1. Job mit Sinn: Jungen Menschen Bildung zu vermitteln, ihre Potenziale zu fördern und sie auf dem Weg zum Erwachsenenwerden zu begleiten, gehört zu den wichtigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben in einer Gesellschaft.
  2. Persönliche Weiterentwicklung: Die Arbeit mit jungen Menschen ist bereichernd und herausfordernd zugleich. Sich aus der Komfortzone herauszuwagen und sich täglich mit vielen unterschiedlichen Charakteren auseinanderzusetzen, kann den persönlichen Horizont erweitern.
  3. Abwechslungsreicher Alltag: Trotz vorgegebener Lehrpläne und Strukturen bietet der Beruf viel Raum für Kreativität. Insbesondere Quereinsteiger_innen können viele Impulse aus ihrer bisherigen beruflichen Praxis einbringen.
  4. Familienfreundlicher Beruf:  Der Beruf Lehrer_in lässt sich meist gut mit dem Familienleben vereinbaren, auch wenn viele Arbeiten außerhalb des Unterrichts geleistet werden. Ein großes Plus sind die Ferien, vor allem in Hinblick auf die Kinderbetreuung.
  5. Stabile Jobaussichten: In ganz Österreich fehlen Lehrkräfte – dieser Mangel wird voraussichtlich auch in den nächsten Jahren bestehen. Quereinsteiger_innen können daher mit sehr guten Jobaussichten rechnen.
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